23 vorhandene Segelboote waren 1822 der Beginn einer langen Geschichte

Von der Textilverarbeitung bis zur Physiotherapie

(Hubert Kröger) Wenn aktuell Patienten bzw. aktive Freizeitsportler die großzügigen Räumlichkeiten der Krankengymnastik Fisser-Wilmerding in Bakum, Loher Straße 5 betreten, dann kommen sie kaum auf die Gedanken, dass dieser Platz mit den Gebäuden eine 200jährige Vergangenheit aufzuweisen hat. Ein echtes Stück Südoldenburger Heimatgeschichte spiegelt sich in der Geschichte des jetzigen Hauses an der Loher Straße 5 wider. Diese Vergangenheit wollen wir mit dem nachfolgenden Artikel ein wenig in Erinnerung rufen.

23 vorhandene Segelboote waren 1822 der Beginn der langen Geschichte.

Gemeint sind die 23 Segelboote des Gründers Georg Wessel-Brämswig aus Bokern bei Lohne, der Anfang des 19. Jahrhunderts wie so viele Südoldenburger nach Holland zum Grasmähen ging. Er blieb damals in Holland hängen und fand den Weg zur christlichen Seefahrt. Der Südoldenburger muss über eine gute Portion Geschäftstüchtigkeit und Zielstrebigkeit verfügt haben. Er soll es zum Eigner von insgesamt 23 hochseetüchtigen Segelbooten gebracht haben.

Eines Tages war er aber die See satt, verkaufte den gesamten Schiffsbestand und kaufte sich von dem Erlös den Betrieb Josef Gerken in Lohe bei Bakum. Aus dieser Zeit stammt auch der Name "Kaptain". Dieser Name wird noch heute mit dem Namen Rosenbaum in Verbindung gebracht. Die Familie Gerken – auch ein Stück Südoldenburger Heimatgeschichte, das typisch ist – wanderte nach Übersee aus.

Der Holland-Heimkehrer schuf hier eine Weberei und Färberei. Als Gründungsjahr für diesen Betrieb wird das Jahr 1822 erwähnt, also vor 200 Jahren. Ein eigenes Fabrikgebäude wurde errichtet, das noch bis 1896 genutzt wurde. Nach dem Abbruch entstand das heutige Wohn- und Geschäftshaus mit weiteren landwirtschaftlichen Gebäuden.

Georg Wessel-Brämswig verabschiedete sich von der Weberei mit Färberei und verkaufte die Maschinen der Weberei und Färberei an den Weber und Färber van der Wal in Dinklage. Die Firma van der Wal entwickelte sich in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu einer großen Weberei mit teilweise mehr als 500 Beschäftigten.

Wessel-Brämswig hatte 2 Kinder, die allerdings bereits früh verstarben. Daraufhin nahm er den abgehenden Bauernsohn Clemens Rosenbaum (1826) als Erben an. Georg Wessel-Brämswig verstarb 1872.

Dieser Erbe Clemens Rosenbaum heiratete Anna Berding (1819-1896) aus Vardel bei Vechta und eröffnete eine Textilwarengeschäft mit Lebensmittelabteilung, dem eine Zeitlang auch ein Ausschank angegliedert war.

Kaufmann Clemens Rosenbaum war auch Ansprechpartner für auswanderungswillige Personen aus der Gemeinde Bakum und umliegenden Gemeinden. Er erledigte für diese Personen alle Formalitäten der Auswanderung. Er arbeitete auf Provisionsbasis mit dem Handlungshaus Fischer & Behmer in Bremen zusammen. In einer Vitrine des Heimathauses sind handschriftliche Dokumente dieser Zeit ausgestellt.

Transkription Heimatverein Bakum F.-J. Göttke

Das obige Schreiben des Handlungshauses Fischer & Behmer enthält folgenden Inhalt:

Bremen, den 16. Jan. 1882

Herrn C. Rosenbaum

Bakum

Einliegend senden wir Ihnen eine neue Vollmacht, welcher Sie sich gefäll. bedienen wollen, um Ihre Concession p. 1882 prolongiert zu erhalten, doch machen wir Sie dauf aufmerksam, daß die Vollmacht mit einer 50 Pfennig Stempelmarke versehen werden muß.

Sobald Sie aufs Neue concessionirt sind, bitten wir um Nachricht, wobei Sie gleichzeitig bemerken wollen, ob Sie gute Aussichten auf ein flottes Frühjahrs-Geschäft haben und zeichnen wir

Achtungsvoll Ergebenst

Fischer & Behmer

Dieser Ehe zwischen Clemens Rosenbaum und Anna geb. Berding entstammte Georg Rosenbaum (1861-1924), der sich mit Maria Pagenstert (1896-1950) aus Bokern verheiratete.

Maria Rosenbaum war als die Seele des Geschäftes weit über Bakum hinaus bekannt und sehr beliebt. Georg Rosenbaum betrieb in jungen Jahren zugleich einen umfangreichen Eierhandel, den er nach Aufkommen des Genossenschaftswesens aufgab. Sein Sohn Clemens (1888-1960) , verheiratet mit Paula Varelmann (1900-1962), führte bis zu seinem Tode im Jahre 1960 das Geschäft weiter.

Paula Rosenbaum geb. Varelmann (1900-1962) und Clemens Rosenbaum (1888-1960)

Familie  Rosenbaum 1927, v. l.  Maria , geb. Pagenstert, Agnes, Maria (Frau Süttmann), Clemens und Paula, geb. Varelmann.

Familie Clemens Rosenbaum Mitte der 50iger Jahre v. li. stehend Vater Clemens Rosenbaum, Tochter Agnes und Sohn Georg, vorne sitzend: Paula Rosenbaum geb. Varelmann  und Tochter Maria Rosenbaum.

Bis ca. Ende der 60iger Jahre war es üblich, dass beim Tod der Ehefrau zunächst der Ehemann erwähnt wurde. Heute nicht mehr vorstellbar.

Georg (Bubi) Rosenbaum (1927- 1980) übernahm anschließend den Besitz der Familie Rosenbaum. Er betrieb noch bis in  die 70iger Jahren Landwirtschaft. Das Textil- und Kolonialwarengeschäft führte er gemeinsam mit seiner Schwester Agnes Rosenbaum. Nach dem Tod von Georg Rosenbaum im Jahre 1980 führte seine Schwester Agnes das Textilgeschäft alleine weiter.

Das Gebäude in dem heute die Krankengymnastikpraxis untergebracht ist, stand bis in den 90iger Jahren leer.

Umbau des Modehauses Rosenbaum um 1963 mit Georg Rosenbaum (1927-1980), Bernhard Dödtmann, Bernhard Gier, ?? und Ewald Rasche

Nach dem Umbau des Geschäftshauses Rosenbaum im Jahre 1963 hatte die repräsentative Schaufensterfront dem Bakumer Ortsbild eine neue Note gegeben. Unmittelbar an den Kirchplatz angrenzend kam dem neu erstellten, etwa 1000 qm großen Parkplatz vor dem Haus Rosenbaum nicht nur eine geschäftliche , sondern auch eine kommunale Bedeutung zu. Hier fand ein großer Teil der motorisierten Besucher der Gottesdienste und größerer Veranstaltungen einen Parkraum, der die Straßen entlastete.

Damalige Weihnachtsangebote in den 60iger Jahren, die unter der Leitung von Agnes Rosenbaum verkauft wurden.

Agnes Rosenbaum in jungen Jahren.

Luftaufnahme aus dem Jahr 1986

Innenräume des Textilgeschäftes (1991) mit Verkäuferin Petra Baumann.

Tierschauen waren immer ein beliebter Treffpunkt der Landbevölkerung, so auch die Tierschau 1987 in Westerbakum. Neben der heimischen Tierzucht interessierten sich die Besucher auch für die Gewerbeausstellung heimischer Betriebe im Festzelt. Hier präsentiert das Textilgeschäft Rosenbaum mit den Mitarbeiterinnen Annemarie Gerdes und Petra Baumann Kleidungsstücke und Bettenausrüstung den zahlreichen Gästen der Tierschau.

Agnes Rosenbaum (1924-2017) übergab 1994 das Traditionsgeschäft Rosenbaum ihrem Neffen Georg Süttmann. Aufgewachsen ist Georg Süttmann in Oldenburg. Sein Vater Heribert Süttmann, gebürtig aus Ellenstedt, und seine Mutter Maria geb. Rosenbaum (Schwester von Agnes Rosenbaum) pflegten die Verwandtschaft und die Kinder waren oft in den Ferien in Bakum.

 Für ihn als kleiner Junge war schon in den 70er-Jahren die Anreise aus der Stadt Oldenburg nach Bakum sehr aufregend. Mit dem VW 1600 TL ging es auf "große Fahrt" über die Bundesstraße bis Ahlhorn und dann mit damaliger Spitzengeschwindigkeit von Tempo 130 über die neue Autobahn bis zur Autobahnabfahrt nach Bakum. In Bakum herrschte für Georg als Stadtkind eine ganz andere Welt. Hier führten sein Onkel Georg und seine Tante Agnes das Textil- und Kolonialwarengeschäft, welches sogar sonntags nach dem Hochamt geöffnet war. In der Diele des Hauses fand ein Frühschoppen mit Gästen statt. Viele Verwandte, Freunde und Kunden waren regelmäßig zu Gast im Haus.

Zusammen waren Georg und Agnes Rosenbaum mehr als 60 Jahre für das Textilgeschäft Rosenbaum verantwortlich.

Georg Süttmann hat in den 80iger Jahren ein Studium der Betriebswirtschaft abgeschlossen. Nach seinem Studium fragte ihn seine Tante Agnes Rosenbaum, ob er ihr Geschäft übernehmen wolle. Im Jahre 1988 begann Süttmann eine Lehre im Textileinzelhandel bei Leffers Lohne. Nach seiner Ausbildung arbeitete er bei Leffers Oldenburg, um noch dort weitere Erfahrungen zu sammeln. Im Jahr 1994 übernahm er das Textilgeschäft, das im Jahr 1996 erweitert wurde. Das leerstehende Stallgebäude wurde in ein modernes Textilhaus umgebaut.

Mit der Überschrift „Textilgeschäft ist bald Vergangenheit“ berichtete die OV im Juli 2016 über erhebliche Veränderungen im Traditionsgeschäft Rosenbaum. Nur noch wenige Kleidungsstücke hingen zu dieser Zeit an den Kleiderständern im Textil- und Bettenhaus C. Rosenbaum in Bakum. Nach einem Totalausverkauf schloss das Textilgeschäft in der 2. Jahreshälfte 2016 für immer seine Türen. Georg Rosenbaum begründete diesen Schritt mit dem Hinweis, dass die Kunden das Markt- und Einkaufsverhalten in den zurückliegenden Jahren rapide geändert haben. Ein positives Betriebsergebnis war nicht mehr zu erzielen.

Georg Rosenbaum schloss sein Geschäft mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits müsse er ein altes Traditionsgeschäft schließen, dabei wollte er den Auftrag eigentlich zu Ende führen, anderseits falle eine Last von seinen Schultern, da ein Textilgeschäft in dieser Form nicht mehr bestehen könne. In Bakum stieß er auf Verständnis für die Geschäftsaufgabe. Viele treue Kunden bedauerten die Schließung.

Lange blieb das Gebäude jedoch nicht leer stehen. Bärbel Fisser-Wilmerding zog mit ihrer Praxis für Gesundheit und Fitness vom Kapellenweg in einen Teil der Räumlichkeiten 2017 ein. Am neuen Standort an der Loher Straße konnte sie nach den Umbauarbeiten genügend Flächen für Behandlungs- und Kursräume, Umkleiden und Rezeptionen nutzen und somit ihr Leistungsangebot wesentlich erweitern. Den hinteren Teil des Hauses nutzt Georg Rosenbaum ebenfalls nach umfangreichen Umbauten privat als seine altersgerechte Wohnung. Ein Teil der Parkplätze wird jetzt als Garten genutzt.

Seit 2017 befindet sich die Praxis der Physiotherapie Fisser-Wilmerding in den großzügigen Räumlichkeiten mit über 350 Quadratmeter. Zur Verfügung stehen modern ausgestattete Praxisräume inklusive Gruppenräume. Freundlich werden die Patienten und Besucher der Praxisräume im Eingangsbereich von Bärbel Fisser-Wilmerding (re) und Daniela Hackmann empfangen.

Kompetente Mitarbeiter/innen , moderne Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung  stehen den Patienten der Praxis zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Praxis auf:


Umfangreiche Unterlagen der Familiengeschichte Rosenbaum wurden dem Heimatverein von Georg Rosenbaum zur Verfügung gestellt. Diese zahlreichen Ordner beinhalten das Geschäftsleben in Bakum vor mehr als 100 Jahren. Sie dienen als Zeitgeschichte auch für nachfolgende Generationen. Ein Dank an Georg Rosenbaum.

 

 


 

 

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