Todesstrafe für unerlaubtes Schlachten im Jahre 1942

Schlachtermeister August Landwehr saß vier Jahre in Haft - Gnadengesuch der Familie war erfolgreich

(Quelle: OV, "Hier in Stadt und Land"- MT Cloppenburg, Fotos und weitere Unterlagen Familie Landwehr Bakum)

 

(Hubert Kröger) Als im Sommer 2015 Konrad und Marianne Landwehr ihrer Kundschaft mitteilten, dass sie ihr Fleischereifachgeschäft aufgeben wollen, hatten beide bis zuletzt schlaflose Nächte. Die Entscheidung, ihre Fleischerei zu schließen, fiel beiden schwer. Konrad Landwehrs Großvater hatte die Fleischerei an der Loher Straße vor 83 Jahren eröffnet.

 

Und diese Geschichte des Handwerksbetriebes war in Bakum sehr abwechslungsreich und auch mit vielen Schwierigkeiten und großen Sorgen verbunden. Anni Landwehr, die Mutter von Konrad Landwehr, hat vor vielen Jahren Dokumente der Geschichte Landwehr dem Heimatverein Bakum zur Verfügung gestellt. Mit dem Einverständnis von Konrad und Marianne Landwehr werden wir nun die bewegte Vergangenheit ein wenig näher vorstellen. Besonders für jüngere Leser dieser Firmengeschichte sind damalige Vorgehensweisen nicht mehr vorstellbar.

 

Im Vergleich zu heute hatte die Hausschlachtung früher einen sehr hohen Stellenwert, war doch die Versorgung mit Fleisch einzig und allein durch selbst aufgezogene Rinder, Schweine, Geflügel und Schafe gewährleistet. Fleischereien, in denen man wie heute Fleisch und Wurstwaren in beliebiger Menge kaufen konnte, waren vor dem Ersten Weltkrieg eher die Seltenheit. Die Hausschlachtung war also eines der wichtigsten Glieder in der Ernährungskette auf dem flachen Land. Jeder Schulmeister hatte eine kleine Ackerfläche und konnte eine Kuh halten und im Stall zwei Schweine mästen. Ähnlich ging es dem Pastor, der ja auch etwas Vieh hatte und den oft kinderreichen Familien auf den kleinen Heuerstellen. Man schlachtete im Herbst und im Winter, um die kalte Jahreszeit zumindest ein wenig für die Fleischkühlung nutzen zu können.

Werbeanzeige um 1930

Ende Juli werden wir ausführlich über eine Hausschlachtung in Hausstette berichten. Walter Menzel hat die Vorgänge mit seiner Super 8 Kamera in bewegten Bildern festgehalten.

Fleischerläden waren bis zu dieser Zeit noch dünn gesät. Dennoch wählte August Landwehr, fünftes Kind eines Landwirts in Bakum, nach der Volksschulzeit den Fleischerberuf. Die Fleischerlehre absolvierte August Landwehr in der Fleischerei Schmidt in Lohne. Nach Abschluss der Lehre diente er von 1915 bis 1918 beim Oldenburger Infanterieregiment 91. Wieder nach Bakum zurückgekehrt, arbeitete er ab 1926 als selbständiger Schlachter und Hausschlachter. Am 23. Februar 1926 heiratete er Anna Kaiser aus Cappeln. Am 23. November 1929 wurde der älteste Sohn Heinz Landwehr (Vater von Konrad) geboren.

Direkt in Nachbarschaft des heutigen Autohauses Spille befand sich das Schlachtergeschäft Landwehr. Im Eingang  sind zu sehen August und Anna Landwehr im Jahre 1936. Die Autowerkstatt wurde damals von Anton Kollmer betrieben.

1936 erwarb August den Titel eines Fleischermeisters. Im elterlichen Haus richtete er nun eine Fleischerei ein, die bald noch vergrößert wurde.

Die Fleischwaren transportierte August Landwehr in einem Wäschekorb, mit dem er, vorne auf das Fahrrad gebaut, zu seinen Kunden fuhr. Aufträge für die nächste Woche wurden sofort wieder mitgenommen.  Seine Wurst- und Fleischwaren verkaufte er auch in den Dörfern Schwichteler, Cappeln und Vestrup. Hier ist er im Jahre 1950 unterwegs.

Seit 1932 besuchen die Landwehrs auch den Stoppelmarkt und die Märkte der Umgebung mit einem Wurstbude. Ohne großen bürokratischen Aufwand erhielt August Landwehr 1932 die Genehmigung für den Stoppelmarkt.

Übersetzung von F.J. Göttke

Ihnen zur Mitteilung,

dass ich mir eine neue geräumige Wurstbude baute. Dieselbe ist 3,25 x 2,25, 4 kantig und von allen Seiten zu bedienen. Das Dach hat 0,50 M. Vorsprung. Ich werde Ihnen die Abbildung nächste Woche, wenn das Laken (Tuch) für die Bedachung da ist, zusenden. Ich hoffe, dass noch irdendein günstiger Platz dafür auf dem Stoppelmarkt zu finden ist. Die Aufmachung wird Ihnen bestimmt befriedigen.

Als August Landwehr im Krieg 1941 Schweine schwarz schlachtete, wurde er von der Gestapo verhaftet und nach Oldenburg gebracht. Hier konnte man ihm 2940 kg schwarz geschlachtetes Fleisch nachweisen. Es erfolgte von einem Sondergericht sehr zügig die Verurteilung zum Tode.

Das Todesurteil wurde am 9. April 1942 in der Oldenburgischen Volkszeitung veröffentlicht.

Paul Landwehr, ein Neffe von August Landwehr, hat die Erinnerungen an die Zeit nach der Verurteilung ausführlich beschrieben. Nach diesen Schilderungen war August Landwehr bereits von Oldenburg zur Hinrichtungsstätte nach Wolfenbüttel verlegt worden. In ihrer Sorge waren häufig die Geschwister und weitere Verwandte in Lage zum Kreuztragen. In einem Brief seiner Frau Anna an das Führerhauptquartier in Berlin, in dem sie feststellte, dass August sich nicht bereichert und das Fleisch zu normalen Preisen an Bedürftige verkauft hatte, bat sie, das Todesurteil aufzuheben. Auch eine Bittschrift seiner vier Brüder, die zusammen 27 Kinder hatten, trug dazu bei, dass die Todesstrafe einige Monate später in eine 10jährige Zuchthausstrafe umgewandelt wurde. Bis zum Kriegsende verbrachte August Landwehr diese Zeit im Zuchthaus Bremen Oslebshausen. Seine Frau Anna verbüßte die einjährige Zuchthausstrafe in Hamburg. 1943 erlebte sie hier oft unter Todesangst schwere Bombenangriffe. Nach einem Gnadengesuch ihrer Verwandten wurde sie vorzeitig aus der Haft entlassen. In späteren Jahren konnte sie über die Geschehnisse dieser erlebten Jahre nicht mehr sprechen.

Beliebter Treffpunkt auf dem Bakumer Herbstmarkt ist seit Jahrzehnten der Verkaufsstand der Schlachterei Landwehr.  Das Bild entstand um 1950. Zu sehen sind hier 1 August Landwehr, 2 Sohn Heinz Landwehr, 3 Marianne Sieve und 4 Bernhard Sieve. Die weiteren Personen sind nicht bekannt.

August Landwehr war ein großer Naturfreund und organisierte wie hier 1958 vogelkundliche Wanderungen in der Gemeinde Bakum. Folgende Vogelliebhaber sind hier zu sehen: v. li. Heinrich Schmutte, Walter Zurborg, Heinz Haskamp, Willibald Meistermann, Anna Hempe, August Frilling jun., August Frilling sen., Förster Spilker, Heinz Konert, August Landwehr und Maria Pille.

Fleischermeister August Landwehr (1894-1966) und Ehefrau Anna Landwehr geb. Kaiser (1899-1982)

Ein letztes gemeinsames Gruppenfoto bevor die Schlachtung begann. Werksverträge waren damals fremd. Von li. August Freese, Siegfried Hielscher, Heinz Landwehr, Anna Landwehr, August Landwehr, Hedwig Bohmann und Otto Landwehr.

Heinz Landwehr hier als Geselle im Jahre 1951 führte das Geschäft mit seiner Frau Anna geb. Ellers ab 1960 weiter. Heinz Landwehr hatte schon 1954 den Fleischermeistertitel erlangt.

Schlachtermeister Heinz Landwehr (1929-1989) und Ehefrau Anni Landwehr geb. Ellers (1931-2012)

Schlachtergesellen der Firma Landwehr begleiten hier 1963 den Volksfestumzug in Bakum. Auch Konrad Landwehr (re) ist bereits dabei.

Da die Räumlichkeiten an der Loher Straße zu klein wurden, folgte 1969 der Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses an der Von-Galen-Straße. Dort wurde später auch ein Fleischergrill eröffnet.  In dritter Generation erwarb der älteste Sohn Konrad 1981 den Fleischermeistertitel. Ein modernes Produktionsgebäude wurde 1982 am jetzigen Standort errichtet. Seit dem Tode seines Vaters 1989 führt Konrad Landwehr mit seiner Frau Marianne den Schlachterei- und Fleischereibetrieb. Mehr als 50 Auszubildende wurden im Laufe der Jahrzehnte bei Landwehr ausgebildet.

Auch fast 90 Jahre später  nach der ersten Genehmigung findet man die "Wurstbude" von Landwehr auf vielen Veranstaltungen im Oldenburger Münsterland. Leider fallen in 2020 sämtliche Feste wegen der Corona-Pandemie aus, so auch der Stoppelmarkt.

(OV-Foto) 2015 verabschiedeten sich Konrad u. Marianne Landwehr von ihrem traditionsreichen Fleischereifachgeschäft.




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